OTZ am 06.01.1996
Die Blütezeit der Sommerfrische Gräfenthal
Die verantwortlichen Beamten der Stadtverwaltung und vielen engagierten Vereine, die erstaunlich kooperativ zusammenarbeiteten, ließen sich immer neue Werbeslogans einfallen.
Die in den Jahren 1926 bis 1935 in ganz Deutschland veröffentlichten Offerten und Prospekte preisen besonders die reizvolle natürliche Umwelt Gräfenthals.
Außerordentlich lohnend sind Spaziergänge nach dem Hain, prächtiger Laubwald, dem Kindelberg mit Rondell, dem Spitzberg mit der Rudolfshöhe, dem Winterberg und der Georgshöhe, der Haide mit schönsten Blick auf die Stadt, dem Stachelberg, dem Arnsbachtal mit der Teufelskanzel und anderes mehr.
Die leider immer weniger werdenden aktiven Wanderer unserer Stadt werden sicher der Worten des im 1926er Prospekt zitierten berühmten Thüringer Schriftstellers Trinius zustimmen, die er 1898 fand:
„All diese näheren Berge sind von stillen Waldpfaden durchzogen, kraftvoller Nadel- und Laubwald umrauscht uns überall ; wochenlang kann man hier wandeln, um jeden Tag neue Schönheiten in Ferne und Tiefe zu entdecken.“
Da die Sommerfrischler aber auch gerne in der Stadt verweilen wollen, wurde durch die „Ortsgruppe des Deutschen Turnerbundes Gräfenthal“ Ende der zwanziger Jahre mit dem weiteren Ausbau des Turnergartens eine neue Attraktion für den ständig zunehmenden Fremdenverkehr in der Stadt geschaffen.
In der Zeit der größten Not, den Jahren der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932, fanden sich viele arbeitslose Turner zusammen
- Gräfenthal hatte über 45 Prozent Arbeitslose!
um den Ringelteich mit Gartenwirtschaft, Gondelbetrieb, Schwimmbad und Tanzveranstaltungen neu zu gestalten.
Die Mitglieder kratzten jeden Pfennig zusammen, um eine „Aktie“ für fünf Reichsmark zu erwerben, dann zur Flächenvergrößerung kaufte der Turnerbund von Brauereibesitzer Tobias Gläser „zu wohlfeilem Preis“ ein Stück Land dazu. Damals herrschte in Gräfenthal also gute Zusammenarbeit der Bürger vor, denn man wollte gemeinsam am Aufbau der Sommerfrische Gräfenthal mitwirken.
Vergleicht man schließlich die damaligen vielseitigen Gegebenheiten mit der Gegenwart, dann ist festzustellen, daß einerseits viel Positives hinzu gekommen ist.
Wir verfügen über neue und attraktive Gaststätten, aber Unterkünfte sind zur Zeit nur in der „Oberen Juchhe“ und in drei Privatquartieren gegeben. Andererseits sind alle damaligen Hotels und Pensionen verschwunden.
Im Jahr 1930 war Gräfenthal im näheren Umfeld ohne größere Konkurrenz, heute sind unter anderem mit der Brand- Feriensiedlung, mit Lichte- Geiersthal und Gebersdorf attraktive Unterkünfte und Ferienmöglichkeiten geschaffen, wobei jede gastronomische Entwicklung hart darum kämpfen muß, „über den gegenwärtigen Berg“ zu kommen, so ein Gastwirt.
Die Gräfenthaler sollten sich trotzdem von der Begeisterung und dem Stolz ihres Mitbürgers Ernst Hähnlein inspirieren lassen:
„Und Gräfenthal, die traute Stadt, sie öffnet weit die Pforten: Herbei, herbei, wer Sehnsucht hat, wer arm an Kraft geworden! Drum kommt herbei aus Land und Stadt, ruht aus hier von Beschwerden! Herbei, herbei, wer Sehnsucht hat: hier soll ihm Frieden werden.